Design Thinking bei der Talanx

Design Thinking entwickelt sich immer stärker zum neuen Modebegriff. Dabei ist eine kundenzentrierte Denkweise in der Produktentwicklung an sich nichts neues. Die neuen Startups in der Versicherungswirtschaft bringen jedoch neuen Schwung durch ihre unverbrauchte und forsche Art.

Die Talanx hat dies nun für den Bereich der Altersvorsorge durchexerziert, wie die FAZ in ihrer Ausgabe vom 24. April berichtet und auch auf FONDS professionell nachgelesen werden kann. Wenig überraschend verlangen junge Kunden von heute Flexibilität und Transparenz. Flexibilität, um veränderten Lebenssituationen gerecht zu werden und evtl. auch enttäuschte Erwartungen zu korrigieren. Transparenz, um jederzeit einen genauen Überblick über das Ersparte zu gewinnen. Ein mögliches Ergebnis der Arbeiten bei Talanx  wäre eine fondsgebundene Versicherung mit einem Mischfonds aus Indexfonds und dem klassischen Deckungsstock.

Wie bereits im Blogbeitrag vom 9. April erwähnt gerät die klassische Lebensversicherung immer stärker unter Druck. Beispiele für neue Ansätze findet man derzeit eher noch selten. Die Ideal mit ihrer UniversalLife gehört zum bisher einzigen Anbieter, der ein Kontomodell anbietet mit jederzeitigem Abruf des Vertragsstandes und gleichzeitig eine hohe Flexibilität integriert.

Auf die Biometrie übertragen lässt sich sagen, dass Flexibilität bereits recht weitgehend in den Versicherungsbedingungen enthalten ist. Leider wird diese vom Kunden nicht wahrgenommen. Für eine echte Transparenz  ist die IT der Versicherungswirtschaft vermutlich noch nicht bereit. Transparenz in der Biometrie läge dabei eher bei den versicherten Umständen, Bedingungen und Optionen als beim monetären Vertragsstand.

 

Seminare zur Lebensversicherung in Wien und Zürich und Webinar in Deutschland

Auf zwei Seminare zu Produkten in der Lebensversicherung möchte ich hinweisen.  Die Österreichische Aktuarvereinigung veranstaltet am 23. Mai das Tagesseminar zu „Modernen Lebensversicherungsprodukten“ in Wien. Herr Genheimer führt in die aktuellen Sparprodukte und die Technik dahinter ein. Ich referiere zu biometrischen Produkten. Gemeinsam behandeln wir anschließend, wie ein modernes Lebensversicherungsprodukt in der digitalen Welt aussehen kann.

Weitere Informationen und Anmeldung unter folgendem Link. (Moderne Lebensversicherungprodukte in Wien, AVÖ)

Am 26. Juni findet ein Produkte Après-midi zum Thema Risikoprodukte in der Lebensversicherung in Zürich statt, veranstaltet von der schweizerischen Aktuarvereinigung. Die Nachmittagsveranstaltung konzentriert sich auf Risikoprodukte und wie mit moderner Kapitalanlage und den Möglichkeiten der digitalen Prozesse Neuentwicklungen durchgeführt werden können, vorgestellt von Herrn Genheimer. Als Einführung gibt es einen Überblick über Absicherungsmöglichkeiten der Invalidität am Beispiel Deutschlands. Berufsunfähigkeits-, Erwerbsunfähigkeits-, Grundfähigkeits- und Dread Disease-Versicherungen suchen ihre Zielgruppe. Zusätzlich wird auf Risikodifferenzierungen, Leistungserweiterungen und Kombinationsprodukten eingegangen.

Weitere Informationen und Anmeldung unter folgendem Link. (Produkt Après-midi Risikoprodukte Zürich, SAV)

Außerdem findet im Herbst eine Webinarreihe der Deutschen Aktuarvereinigung zur Produktlandschaft in der Lebensversicherung statt. Die drei Webinare behandeln die klassischen Spar- und Rentenprodukte, die moderne Klassik inkl. des Umgangs mit der Rentenbezugsphase und als letztes BU & Co: Invaliditätsprodukte und Ihre Ausgestaltung. Die Reihe kann komplett oder jede Veranstaltung auch einzeln gebucht werden.

Weitere Informationen und Anmeldung unter folgendem Link. (Webinarreihe Produkte Lebensversicherung, DAV)

 

Getsafe kündigt Arbeitskraftabsicherung an

Wie Christian Wiens, CEO von Getsafe, in einem Kurzinterview ausführt, wird Getsafe eine Arbeitskraftabsicherung entwickeln, die zu bisherigen Angeboten hinzugebucht werden kann. Nach Getsurance wäre dies dann der zweite volldigitale Anbieter. Ob Getsafe eine vollwertige Absicherung gegen Invalidität zukünftig anbietet, wird sich zeigen.

Zukunft der Altersvorsorge – Zukunft der Versicherer

„Altersvorsorge in Deutschland funktioniert schlecht. Sie ist ineffizient gestaltet. Deshalb wollen wir die Digitalisierung und Indexfonds auf einer Plattform zusammenbringen.“, erklärt Rogier Minderhout von Mypension in dem Artikel „Welcher Altersvorsorge gehört die Zukunft?“ in der FAZ vom 5. April.

Damit legt einer der neuen Anbieter den Finger in die Wunde: zu hohe Kosten und aktuell unzureichende Renditen. Ist da nicht das anglo-amerikanische Modell naheliegender, Vermögensbildung und Versicherung stärker zu trennen? Oder sind die einzigartigen Vorteile des deutschen Deckungsstocks des Ausgleichs und der Verlässlichkeit so gewichtig, dass sie obige Nachteile überwiegen? Kommt drauf an. Dies hängt sehr stark von der Kundenperspektive und der Kundenerwartung ab.

Die Versicherer müssen jedoch befürchten, dass in der nachwachsenden Generation ein immer größerer Anteil nur die Nachteile und nicht evtl. Vorteile sieht. Ein häufig diskutierter Ansatz, wie in der zuletzt erschienenen KPMG-Studie „Zukunft der Lebensversicherung“, besteht in der Stärkung der Biometrie. Diese kann jedoch, wie die Studie zeigt, den Abrieb in der Altersvorsorge nicht kompensieren. Darüberhinaus erfordert Biometrie erhebliche Produktkompetenz und langjährige Erfahrung, möglichst verknüpft mit einer neuen Kundenansprache.

Über die Grenzen vom Maschinenlernen

Interessanter Hinweis in der FAZ vom 29.3. (Siri, warum bist du nicht so schlau wie wir?) zu Schwierigkeiten und möglichen Grenzen der bisherigen  Verfahren von machine learning. Neben bereits bekannten Gesichtspunkten wie „black box“, „Korrelation vs Kausalität“ und unfassbar hohen benötigten Datenmengen weist der Autor des Originalartikels Deep Learning, A Critical Appraisel,  Gary Marcus von der New York University, insbesondere darauf hin, dass die bekannten Verfahren derzeit kein Kontextwissen berücksichtigen. Dies kann tatsächlich ein entscheidendes Merkmal sein, welches aktuell die Grenzen von machine learning techniques zieht. Andererseits ist dies erstmal nur die Herausforderung, Kontextwissen zu ergänzen. Hierfür ist dann wieder Erfahrung und klassische menschliche Expertise notwendig.

Besser gut gekauft als schlecht erfunden – Versicherer und die Start-up-Kultur

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 25. März findet sich ein kurzer Bericht über die Probleme, in die hergebrachten Strukturen innerhalb einer Versicherung  Arbeitsweisen von Start-Ups und eine „Kundendenke“  zu integrieren (Besser gut gekauft als schlecht erfunden). Es reicht nicht,  ein paar Äußerlichkeiten von Start-Ups zu kopieren und Einheiten mit Geld auszustatten.  „Alle dachten, man müsse nur ein cooles Büro eröffnen, junge Leute anheuern, einen „Chief Digital Officer“ anrufen und die Sache sei geritzt, …“. Acceleratoren werden wieder geschlossen. Dies haben eine ganze Reihe von Unternehmen mittlerweile erfahren müssen.

Also entweder komplett neu und unabhängig vom bisherigen Betrieb aufbauen (oder kaufen), oder den langen Weg durch die „Institutionen“ nehmen und selber seine eigenen Erfahrungen sammeln. Letzteres erfordert einen langen Atem.

Digitalisierung und Lifestyle III – Interview mit Oliver Bäte, CEO Allianz

In einem Interview  mit Oliver Bäte,  dem CEO der Allianz, in der FAZ vom 28.12.2017  werden u.a. die Digitalisierung und Individualisierung der Versicherungsprämien aufgrund von Big Data angesprochen.  (Siehe auch den ersten Artikel zur kleinen Big-Data-Reihe in diesem Blog, zum Bericht des Deutschen Ethikrates)

Die Allianz unterscheidet nach Aussage von Herrn Bäte bei Risikofaktoren, ob diese vom Versicherungsnehmer beeinflusst werden können oder nicht. Im ersten Fall dürfen oder sollten Versicherungsprämien differenziert werden. Falls ein Merkmal nicht beeinflussbar ist, sollen Kunden dafür auch nicht „bestraft“ werden. Eine Differenzierung nach dem Rauchverhalten wäre demnach akzeptabel, eine Differenzierung nach dem Geschlecht oder einem Gendefekt nicht.

Auf dem ersten Blick ist dies ein naheliegender Ansatz und überträgt die Verantwortung für ein Risiko dem Versicherungsnehmer. Schwierig wird es jedoch auf den zweiten Blick: Was ist ein von Versicherungsnehmer beeinflussbares Verhalten?  Kann man von einer Mutter mit drei Kindern verlangen, jede Woche drei Stunden Sport zu treiben? Kann man von einem (neu) Süchtigen verlangen, seiner Sucht erfolgreich zu entsagen? Kann man von einem Versicherungsnehmer mit einer sich neu entwickelten schweren Depression verlangen, innerhalb eines gewissen Zeitraumes wieder gesund zu werden?  Soll ein Bergsteiger höhere Beiträge zahlen, obwohl das Risiko von Herz-/Kreislauferkrankungen im Gegenzug reduziert ist?

Wie so häufig ist die Lebensrealität komplexer als in einfachen Modellen darstellbar. Dies gilt besonders für die langen Zeiträume, für die eine Lebens- oder Krankenversicherung besteht.  Solidarität und Verantwortung müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

Der Ethikrat weist in seiner Stellungnahme zusätzlich darauf hin, dass zur Freiheit auch die Freiheit zur Unvernunft besteht. Die Pflicht zu gesundheitsfördernden Verhalten wird derzeit nach seiner Aussage eher abgelehnt. Dies ist allerdings sicherlich eine gesellschaftspolitische Entscheidung.

Ein Lifestyle-Tarif kann für Kunden und Versicherer positiv sein. Die Ausgestaltung muss jedoch sinnvolle Lösungen für diese Punkte anbieten.

Nebenbemerkung: Das Modell einer Unterscheidung nach beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Risikofaktoren wird auch von der Allianz  umgesetzt, da es vielfach nicht beeinflussbare Risikofaktoren gibt, die derzeit von der Allianz wie von allen privaten Versicherungsunternehmen berücksichtigt werden wie Krankheiten, Behinderungen, die Berufswahl und bis vor wenigen Jahren das Geschlecht. Zu Vertragsbeginn erfolgt notwendigerweise eine Risikoprüfung. Herr Bäte spricht eigentlich über Verhaltensänderungen, die während der Vertragslaufzeit eintreten, oder von im Versicherungsvertrag fest vereinbarten positiven Verhaltensweisen sind.

Big Data und Gesundheit – II

Nach der Veröffentlichung des Deutschen Ethikrates zu “Big Data und Gesundheit”, siehe den Blog-Artikel vom 2. Januar 2018, und der anschließenden Diskussion in der Öffentlichkeit hat der Direktor der Cochrane Zentrums in Freiburg, Gerd Antes, in der FAZ vom 2. Januar 2018 eine scharfe Kritik an die Wissenschaftlichkeit und Methodik von Big Data verfasst.

http://plus.faz.net/feuilleton/2018-01-02/die-medizin-im-datenrausch/97997.html

Kern der Kritik ist die Beschränkung der Big-Data-Verfahren auf die Identifizierung von Korrelationen statt des Herausarbeitens von Kausalzusammenhängen. Damit eng verknüpft ist die fehlende Analyse von unvermeidlichen Fehlern und die durch neue Daten sich permanent verändernden Korrelationsaussagen, die eine Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und Aussagen von Big-Data-Ergebnissen in der Echtzeitanwendung erschweren. Gleichzeitig wird die Frage aufgeworfen, wie mit den unvermeidlichen Fehlern umgegangen werden soll. Diese werden auch weiterhin auftreten, diese Fehler werden jedoch andere als die von Menschen gemachten sein. Die Attraktivität von Big Data ist gleichwohl enorm groß, da die Verfahren günstig und schnell und ohne menschliches Zutun durchgeführt werden können. Genau davor, der industriellen Big-Data-Anwendung, warnt Gerd Antes.

Diese grundsätzliche Frage, Korrelation statt Kausalität, und die Konsequenzen für Anwendungen in der Versicherungswirtschaft werden in dem zweiteiligen, englischsprachigen Artikel zu Big Data „Big Data, Big Insight – Is Knowledge Still Power in a Digital World?” und “Big Data, Big Insight – What Does it Offer to Life Insurers?”, verfasst von meinem ehemaligen Kollegen Bernd Wolters und mir, ausführlich diskutiert.

Links:

Big Data, Big Insight – Is Knowledge Still Power in a Digital World?, Bernd Wolters und Thomas Gehling, Risk Insights, Januar 2017, Gen Re, Köln

Big Data, Big Insight – What Does it Offer to Life Insurers?, Bernd Wolters und Thomas Gehling, Risk Insights, Mai 2017, Gen Re, Köln