Big Data und Gesundheit in der Versicherung – I

Anfang Dezember hat der Deutsche Ethikrat eine umfangreiche Stellungnahme zu “Big Data und Gesundheit” veröffentlicht.

(http://www.ethikrat.org/publikationen/stellungnahmen/big-data-und-gesundheit-1)

Diese enthält Überlegungen zur Nutzung von Big Data im Bereich gesundheitsbezogener Daten und den daraus abgeleiteten Entscheidungen und Handlungen. Leider ist die Zusammenfassung eher unübersichtlich. Die wichtigsten Aussagen, Hinweise und Fragestellungen in der Zusammenfassung, die für die private Versicherungswirtschaft relevant sind, sind folgende:

  • S. 10 8) Aus Korrelationen kann nicht auf eine Kausalität geschlossen werden. Ein nicht häufig genug zu wiederholender Hinweis für die Allgemeinheit.
  • S. 10 9) Dürfen maschinelle Verfahren wichtige Entscheidungen wie Therapien treffen? Unter welchen Voraussetzungen? Eng verknüpft hiermit ist die Forderung nach einer Widerspruchsmöglichkeit bei automatisierten Entscheidungen, wie sie auch die Datenschutzgrundverordnung vorsieht.
  • S. 13 24) Big Data kann zur Diskriminierung führen aufgrund des Interesses von gesetzlichen wie privaten Versicherern, Gesundheitskosten niedrig zu halten.
  • S. 23 75) ff: Schließen sich Solidarität in einer Versicherung und differenzierte Risikoprofile aus?
  • S. 24 80) Nach ethischen Grundsätzen gilt bisher, dass individuelle Freiheit wichtiger ist als die Pflicht zur Vermeidung von Gesundheitrisiken. Wie verhält sich eine Risikodifferenzierung zu diesem Anspruch?
  • S. 30 108) Um eine Diskriminierung zu verhindern, ist eine Widerspruchsmöglichkeit bei automatisierten Entscheidungen vorzusehen.

Der Abschnitt 2.5.3 erörtert ausführlich die Nutzung gesundheitsrelevanter Daten durch Versicherer, sowohl gesetzlicher Krankenversicherer als auch privater. Leider wird wie so häufig das Versicherungsprinzip nicht korrekt dargestellt und vor eine Atomisierung des Kollektivs gewarnt, da dies dem Versicherungsgedanken widerspräche. Korrekt hingegen ist, dass, falls Kollektive sich vollständig alleine finanzieren müssten, mit einer kleineren Kollektivgröße die Volatilität steigt und damit im Kontext z.B. der PKV das Risiko großer Beitragssteigerungen besteht.

Es wird die Frage aufgeworfen, ob ein Bonus für ein „gutes“ Gesundheitsverhalten nicht gleichzeitig ein Malus für die übrige Gruppe darstellt? Wer soll davon profitieren, wenn insgesamt die Gesundheitskosten durch Bonusanreize sinken? Nur die Bonusgruppe oder auch die Malusgruppe? Ist eine Selektion aufgrund von Gesundheits- und Verhaltensdaten bei Vertragsabschluss diskriminierend? Soll es überhaupt eine Verhaltenssteuerung während der Vertragslaufzeit geben oder widerspricht dies dem Freiheitsverständnis? Das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde für die gesetzlichen Krankenkassen hat hierzu entschieden, dass Wearables und Apps nicht für die Bonus-Programme innerhalb der GKV genutzt werden dürfen, da die Datenqualität nicht sichergestellt werden könnte. Diese Begründung wirkt an dieser Stelle künstlich.

Im Abschnitt 4 „Zur Ethik von Big Data und Gesundheit“ wird im Unterabschnitt 4.6.1 die Solidarität innerhalb der privaten Krankenversicherung diskutiert. Ist eine Differenzierung eine Entsolidarisierung und gerecht? Wie ist ein Programm wie Vitality von der Generali zu bewerten? Wie wichtig ist die Reziprozitätserwartung, also, dass jedes Mitglied einer Solidargemeinschaft im Prinzip für seine Solidarität auch eine Gegenleistung verlangen kann? Darf eine Differenzierung vorgenommen werden bei Verhaltensweisen, die im Einflussbereich und unter der Kontrolle eines Solidarmitglieds liegen? Klassisches Beispiel ist die alte Diskussion, ob Raucher einen höheren Krankenkassenbeitrag zahlen sollen. Der Ethikrat weist an dieser Stelle jedoch darauf hin, dass bisher common sense ist, dass die individuelle Freiheit vor der Vermeidung von Gesundheitsrisiken geht. Doch ist dies sicherlich eine gesellschaftliche Entscheidung und kann sich im Laufe der Zeit ändern.

Der Ethikrat schließt mit der Forderung, hochprädikative Risikoprofilbildung zu verbieten, und wiederholt die Frage, ob eine bewusste oder unbewusste Verhaltenssteuerung sich mit unserem Freiheitsverständnis deckt.

Innovationen in der Lebens- und Krankenversicherung schweben nicht im luftleeren gesellschaftlichen Raum. Für die Akzeptanz neuer Produktansätze  seitens der Gesellschaft und des Gesetzgebers sind obige Punkte zu berücksichtigen und überzeugende Antworten auf die dort gestellten Fragen zu geben.

 

DKM-Nachlese – Arbeitskraftabsicherung Teil II

Das Aufsichtsratsmitglied der elips Life, Dr. Claus Kriebel, weist darauf hin, dass die klassische BU-Versicherung ein Luxus-Produkt und eigentlich eine Überversicherung der Invalidität darstellt. Die Durchdringungsquoten sind dennoch (oder deswegen) erbärmlich. Er plädiert für die Alternativen einer EU oder abgespeckten BU, z.B. im Rahmen von Gruppendeckungen, wie sie von der elips Life angeboten werden.

Die Erwerbsunfähigkeitsversicherung hätte in Deutschland sicherlich einen größeren Erfolg verdient als derzeit. Ob der Weg über Gruppendeckungen erfolgversprechend ist, scheint deutlich weniger klar. Die relative Unabhängigkeit der sozialen Absicherung vom Arbeitgeber dürften viele als eine Stärke Deutschlands ansehen.

Die Diskussionsrunde zum Thema „Welche Rolle spielt der Versicherer?“ betont naturgemäß die Stärken eines großen Anbieters wie der Nürnberger oder der Allianz. Beide werben mit ihrer Bestandsgröße, stabilen Beiträgen und einer großen Erfahrung in der Leistungsbearbeitung. Dazu kommen neue Initiativen zur Steigerung der Kundenfreundlichkeit wie ein M-(L-)Check oder Reha-Assist-Unterstützungen. (Und die Nürnberger wirbt noch mit der Strixner-Individualvereinbarung, ein Hilfsmittel, um vermeintliche Probleme in der Rechtssprechung zu umgehen.)

Größe an sich ist sicherlich kein Vorteil für den Kunden. Wichtiger ist eine gute Unternehmensführung mit guten Mitarbeitern. Leider lässt sich dies nicht auf 40 Jahre in die Zukunft prognostizieren. Hierfür gibt es genügend Beispiele, sowohl dass es große Unternehmen mit vielfältigen Problemen als auch kleine Unternehmen mit hervorragenden Leistungen gibt.

 

DKM-Nachlese – Arbeitskraftabsicherung Teil I

Die DKM ist ein fester Bestandteil im Jahreskalender. Besonders der Kongress Arbeitskraftabsicherung von Franke & Bornberg gibt Einblicke in die Vertriebspraxis, Themen und Denkweisen der Makler und neue Produkte  von Versicherern. Herr Franke engagiert sich  für einen unvoreingenommen Blick der Maklerschaft auf  alternative Absicherungskonzepte wie Erwerbsunfähigkeitsversicherungen oder Grundfähigkeitsversicherungen.

Zu Beginn stellt Herr Franke seinen überarbeiteten Ansatz für die Absicherung der Arbeitskraft vor. Hierbei wird jedes Produkt unter den fünf Blickwinkeln

1) Preis

2) Versicherbarkeit (Risikoprüfung)

3) Qualität innerhalb vergleichbarer Produkte

4) Qualität oder Leistungsstärke  für den Kunden (bezogen auf seine Lebenssituation) und

5) relativer Preis im Verhältnis zur Leistung bewertet.

Für Vemittlungsgespräche geht dies eher zu weit. Dennoch gibt dieser Ansatz einen maklerzentrierten, vertieften Einblick in die verschiedenen Angebote für eine Arbeitskraftabsicherung und ermöglicht damit eine bessere Vergleichbarkeit der mittlerweile vielfältigen Produktangebote.

Die Diskussion am Nachmittag zum Thema „Arbeitskraftabsicherung in der betrieblichen Praxis“ mit Herrn Bläsing vom Volkswohl Bund, Herrn Muddecke von der Bayerischen und Herrn Klapper von der Stuttgarter überraschte mit Aussagen  des Volkswohl Bundes zum Erfolg bei Grundfähigkeitsprodukten. Nach Aussage von Herrn Bläsing werden mittlerweile 40% des gesamten Invaliditäts-/Arbeitskraftabsicherungsneugeschäftes beim Volkswohl Bund durch Grundfähigkeitsprodukte generiert. Als ein Vorreiter in dem Bereich der Grundfähigkeitsversicherung, erst mit der €xistenz-Versicherung, nun mit dem Plan D unter dem neuen Ableger der „Dortmunder Versicherung“, zeigt der Volkswohl Bund, dass Beharrlichkeit und das Generieren von Erfahrung sich auszahlen.

http://www.versicherungsjournal.de/vertrieb-und-marketing/impulse-zur-zukunft-der-arbeitskraftabsicherung-130481.php?link=2

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Sondierungsgespräche im Bund und verbesserter gesetzlicher Erwerbsminderungsschutz

Seit einigen Jahren steht auf der Agenda der Politik die häufig unzureichende Lage von Erwerbsgeminderten (EM) in der gesetzlichen Rentenversicherung. So sind verbesserte Anrechnungszeiten in der letzten Legislaturperiode beschlossen worden. Vielleicht etwas überraschend sind weitere deutliche Verbesserungen in der EM-Rente in der Diskussion im Rahmen der Sondierungsgespräche zu einer „Jamaika-Koalition“.

Dies reicht von einer sofortigen Erweiterung der Zurechnungszeit auf das 65. Lebensjahr, einer Ausweitung der verbesserten Zurechnungszeit auch für den Bestand bereits Erwerbsgeminderter und einer Abschaffung des Rentenabschlages bei frühzeitigem Rententeintritt (was bei einer EM-Rente systemimmanent ist). Nach einer Übersicht aus der FAZ vom Samstag, den 11. November 2017, würden besonders die letzten beiden Punkte erhebliche jährliche Zusatzausgaben für die GRV bedeuten in einer Größenordnung von 9 Mrd. Euro. Eine Abschaffung des Rentenabschlages hat die Deutsche Rentenversicherung bisher aus Konsistenzgründen abgelehnt.

Es ist dennoch bemerkenswert, dass die Situation von Erwerbsgeminderten innerhalb der beteiligten Parteien diese große Aufmerksamkeit erhält. In der Öffentlichkeit ist dies eher ein Randthema.  Die Notwendigkeit, für den Fall einer Invalidität auch ergänzend privat vorzusorgen, ist unbestritten, sei es durch eine BU, EU/EM oder eine Grundfähigkeitsversicherung.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/sozialausgaben-in-jamaika-sondierungen-15286853.html

Fintech, Insurtech und Co.

Auf dem PKV-Forum der Continentale Anfang September hat Sven Gabor Janszky von 2b AHEAD für jeden Teilnehmer anschaulich die Grundannahme aller Aktivitäten von Fintechs, Insurtechs und Co dargelegt: Zwischen Kunden und dem Produkt wird zukünftig eine neue (Software-)Schicht stehen, die vermittelt, orientiert, berät, coacht. Damit verbunden sei ein Switch des Kundenvertrauens von dem Menschen weg hin zur Maschine.

Wenn man daran glaubt, bleibt die Frage, wer wird diese neue Schicht besetzen, Versicherer oder neue Marktteilnehmer? Ein Beispiel von vielen:

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/versichern-und-schuetzen/der-versicherungskonzern-wuestenrot-will-sich-eine-neue-zielgruppe-erschliessen-15219414.html